Freitag, 4. Juli 2025. 12.00 Uhr. Für meinen Betreuten geht es — wie jedes Jahr — um alles. Eine Strafvollstreckungskammer beim Landgericht hat über die Frage der Fortdauer der Unterbringung nach § 63 StGB zu entscheiden und es sieht schlecht aus: Der Zustand des Betreuten hat sich im zurückliegenden Jahr eher verschlechtert. Die Erkrankung, eine paranoide Schizophrenie, ist schwer chronifiziert. Es besteht weitestgehend eine Behandlungsresistenz, die zu einer Hilflosigkeit des gesamten Behandlungsteams führt. Regelmäßig werden auch fremdgefährdende Fehlhandlungen dokumentiert. Die vermeintliche Lösung: Eine Unterbringung seit mehreren Jahren unter Bedingungen, die mit einer Isolationshaft vergleichbar sind. Zeitweise werden bis zu acht Psychopharmaka gleichzeitig verabreicht. Verschiedene Sachverständige beanstanden die nicht leitliniengerechte psychopharmakologische Behandlung, die inzwischen vermutlich mitverantwortlich ist für eine ausgeprägte und globalisierte Hirnvolumenminderung. Der Betreute präsentiert dadurch massive hirnorganische Beeinträchtigungen.
Für mich als Berufsbetreuer und die Eltern als ehrenamtliche Betreuer ist klar, dass wir eine Entlassung aus dem Maßregelvollzug unter diesen Bedingungen nicht erreichen können. Im Vordergrund steht für uns das Ziel, die Unterbringungsbedingungen zu verbessern und eine Einschränkung der Psychopharmakatherapie zu erreichen. Im November 2024 gebe ich dem Norddeutschen Rundfunk, der über den Fall berichtet, ein Interview und erkläre, dass eine Zwangsbehandlung, die mangels Erfolgsaussicht nach dem Maßregelvollzugsgesetz nicht zulässig ist, den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung erfüllen könnte.
Die Strafvollstreckungskammer hat mich nunmehr zur Anhörung des Betreuten geladen. Der Betreute sitzt zwischen zwei kräftigen Pflegern der Klinik in Handschellen vor dem Gericht. Rechts neben ihm zwei Ärzte der Klinik und ihre Syndikusanwältin. Die Kammer verkündet sodann, dass sie die Syndikusanwältin der Klinik aufgrund der bestehenden Auseinandersetzungen und der NDR-Berichterstattung zur Anhörung zugelassen habe. Zugleich habe sie entschieden, die Eltern des Betreuten und mich als gesetzliche Vertreter von der Anhörung auszuschließen. Die Kammer wolle insbesondere Auseinandersetzungen zwischen den Betreuern und der Klinik keinen Raum geben. Es sei — auch wenn dafür nicht die Eltern des Betreuten verantwortlich seien — nach der Berichterstattung des NDR zu zerstochenen Autoreifen und dem Verteilen von Flyern auf dem Klinikgelände gekommen.
Zurück bleibt ein schwer psychisch kranker Mensch mit seinem Pflichtverteidiger. Die Klinik mit fünf Mitarbeitern deutlich in der Überzahl. Der “Rauswurf” derjenigen, die für die Vertretung der Interessen des psychisch kranken Menschen bestellt sind, offenbar durch eine Strafvollstreckungskammer inszeniert, um zu signalisieren, dass die Interessen der behandelnden Ärzte bei der Kammer deutlich besser aufgehoben sind als die berechtigten Belange eines schwer kranken Menschen, um dessen Zukunft es geht.
Ein faires Verfahren sieht anders aus. Bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Unterbringung maßgeblichen Umstände sollte schon vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit regelmäßig diskutiert werden, ob die Behandlung überhaupt geeignet ist, auch das Ziel der Besserung der Anlasserkrankung zu erreichen. Eine Strafvollstreckungskammer, die Betreuer dafür abstraft, dass sie sich in diesem Zusammenhang für die Interessen ihres Betreuten einsetzen, tritt den Rechtsstaat mit Füßen.
Es bleibt abzuwarten, wie das Oberlandesgericht den Sachverhalt beurteilt. fs